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Piraten gegen Rechtsextremismus - Landesverband Bayern

"Totalitäre, diktatorische und faschistische Bestrebungen jeder Art lehnt die Piratenpartei Deutschland entschieden ab." So steht es in §1 unserer Satzung.

Diese Selbstverpflichtung in die Tat umzusetzen, ist der Anspruch der "Piraten gegen Rechtsextremismus" im Landesverband Bayern

Montag, 16. Januar 2012

Gastbeitrag: Verbote und Nazileaks


Über ein NPD Verbotsverfahren

Die Diskussion um das erneute Verbotsverfahren der NPD hat ein Niveau erreicht, welches eine objektive Meinungsbildung auf Grund der emotional eingefärbten Debatte sehr schwierig macht. Wer dagegen votiert, macht sich der Verharmlosung verdächtig – wer das Verbot befürwortet, gilt als Zweifler der Selbstheilungskräfte unserer Demokratie.
Die persönliche Sichtweise wird heute genauso wie zu Zeiten des letzten gescheiterten Verbotsantrages 2001 durch die jeweiligen politischen Frontlinien und Fraktionsgrenzen bestimmt. Doch gerade eine gesellschaftlich breit aufgestellte und überfraktionelle Strategie der Ächtung wäre hilfreich, um die Demokratiefeindlichkeit der NPD und ihre menschenverachtende Ideologie zum Thema zu machen.
Zur Erinnerung: Das Verbot der NPD im Januar 2001 war vor dem Verfassungsgericht gescheitert, da es zu viele V-Leute des Verfassungsschutzes in der braunen Führungsetage gab – nämlich jeder Siebte – um objektiv die für das Verbot nachzuweisende Verfassungsfeindlichkeit darzustellen. Durch die Einflussnahme von Verfassungsbeamten sei die Handlungsfähigkeit und Willensbildung zu stark eingeschränkt und fremdbestimmt gewesen, so das Gericht. Der Kollateralschaden war kaum zu beziffern: Die NPD fühlte sich von höchster Stelle bestätigt, hatte die unglaubliche Medienpräsenz der vielen Wochen rund um das Verbotsverfahren für weitere Mitgliedermobilisierung zum eigenen Vorteil nutzen können, während die rechtsradikalen Taten die zum Verfahren geführt hatten, fast schon in den Hintergrund traten. Die schrecklichen Ereignisse seiner Zeit, die Brandstiftung in der Erfurter Synagoge, die feige Hetzjagd und Ermordung des Mozambikaners Adriano und die symbolisch unerträglichen Fahnenmärsche durch das Brandenburger Tor sind in Anbetracht der jüngst aufgedeckten Nazimorde einer neuen Klasse organisierten Rechtsterrorismus gewichen.
Das gegenseitige Anstacheln der Fraktionen hatte in der Sommerpause im Jahre 2000 die rot-grüne Regierung und damit den damaligen Innenminister Otto Schily genötigt, den finalen Schritt vor das Verfassungsgericht anzustrengen, auch wenn die Aussicht auf Erfolg höchst zweifelhaft war und die Warnungen auch aus den eigenen Reihen nicht zu überhören waren.
Der Zwist um die moralische Hoheit zwischen den demokratischen Fraktionen half Vor Allem der NPD. Eine objektive Zusammenarbeit über die Fraktionsgrenzen hinweg fand nicht statt. Das Verbot scheiterte und blamierte die politische Elite.
Heute, viele Jahre später ist die NPD stärker denn je in der Gesellschaft verankert. In mehreren Landesparlamenten und Kommunen vertreten, hat sich im Nordosten unseres Landes das braune Geschwür fest etabliert. Dabei wird die NPD Doppelstrategie geschickt ausgespielt. Einerseits schützt man mit parlamentarischen Vorstößen zu Allgemeinthemen wie Tierschutz und Ökologie eine moralisch kleinbürgerliche Integrität vor, unter deren Oberfläche aber die alte Blut und Boden Mentalität nistet.
Geschickt werden dazwischen die ideologischen Kernthemen auf den völkischen Punkt gebracht: Asyl, Hartz IV und die Eurokrise – inklusive Verschwörungstheorien.
Die Strategie der demokratischen Gesellschaft, die NPD parlamentarisch zu isolieren und in den Medien unfair zu behandeln, stärkt gerade in Ostdeutschland den Sympathiebonus der Rechten. Wer in Fernsehdiskussionen das Mikrofon entzieht oder gar aus dem Aufnahmestudio verschwindet um seinen Boykott auszudrücken, macht die Nazis ungewollt zum David im Kampf gegen das System. Statt dessen würden die Medien gut daran tun, die Hintergründe der bösartigen NPD Ideologie mit journalistisch professioneller Recherche zu jeder Gelegenheit offen zu legen. Ein langwieriger Prozeß der jedoch Aussicht auf Erfolg verspricht, denn in der direkten Konfrontation mit Sachargumenten kann die NPD niemals punkten.
Parallel zum vermeintlich demokratischen NPD Engagement in den Parlamenten unterhält die NPD Kontakte in ein weit verzweigtes Netz, das Jugendszenen, Vereine und Stammtische vereinnahmt und ein im Untergrund ein Spektrum zwischen gewaltbereiter Kameradschaft aber auch modernen Onlinekämpfern rekrutiert. Von der Waffenbeschaffung über die Installation anonymer Netzressourcen die zur Gewalt gegenüber Andersdenkender und Minderheiten aufrufen, von spontanen Kundgebungen und Heldenverehrung bis zu professionellen Videoproduktionen wird im Untergrund das Netzwerk verzweigt und professionalisiert. So wird eine demokratische Kampagne wie die familienfreundliche Initiative “Mach dich unsterblich – werde Vater” zu einem nationalen Aufbruch des völkischen Überlebens in “Werde unsterblich” umgedichtet. Mit martialischer Tonspur und geschickter Schnitttechnik werden Aufnahmen eines regionalen Aufmarsches zu einer landesweiten Bewegung aufgemotzt und in Social Networks und Videokanälen viral beworben. Die vielen regionalen Zellen haben mit Hilfe zentral moderierter Content Management Systeme eine überregionale Reichweite und Aktualität. Gewalt- und Mordaufrufe werden auf in Osteuropa gehosteten Internetseiten verbreitet, die eine Identifizierung des Domaineigentümers verschleiern. Bisher vor allem in Ostdeutschland organisiert haben sich die Untergrund Nazis gerade im ruhigen Nordosten Bayerns etabliert, das in Franken unter der schwindenden Bevölkerung, der erhöhten Arbeitslosigkeit und der daraus folgenden Perspektivlosigkeit leidet.
Der erschwerte Zugriff durch die Strafverfolgung wird häufig angeführt, doch eigentlich ist es die systemische Gleichstellung von Links- und Rechtsextremismus, die eine konsequente “Null Tolleranz” Regelung gegenüber rechter Gewalt stört. Gewalt gegen Linke, Obdachlose und Ausländer sind die Regel, linke Gewalttaten hingegen die Ausnahme, trotzdem wird von der bayrischen Regierung eine verantwortungslose Verharmlosung der rechten Gewalttäter betrieben. Die Gleichstellungen von “Die Linke” und NPD durch CDU und CSU verharmlost Rechtsextremisten und vergisst darüber hinaus den demokratischen Beitrag der Linken, gerade in den neuen Bundesländern die latente Wiedervereinigungsscheu und Ostalgiebewegung in demokratische Bahnen gelenkt zu haben. Die linke Argumentation hingegen, soziale Problematik sei die Ursache für den Rechtsextremismus, unterstellt das Arbeitslosigkeit und rassistische Ideologie zusammengehören.
Sicher sind bildungsferne Bevölkerungsschichten anfälliger für Vorurteile, doch gerade Neidkultur und Ausgrenzung sind dem kapitalistischen Erfolgskarusell geschuldet und keine Rechtfertigung für die Abkehr von der Demokratie. Patentierte Dummheit ist ebenso wenig Attribut nationalistischen Eifers wie Intelligenz das Merkmal demokratischer Grundhaltung.
Die Teilhabe an politischen Prozessen hingegen fördert Demokratiebewusstsein und dämmt die Politikverdrossenheit ein. Basisdemokratie und Partizipation helfen aus der Isolation. Sinkende Wahlbeteiligung und Interesse an politischer Beteiligung sind dem mangelnden Interesse des Staates an seinen Bürgern geschuldet. Wer z.B. ausländische Minderheiten in Heimen kaserniert und erniedrigt machst sie noch leichter zum Opfer jener, die immer nur nach unten treten.
Statt reflexartiger Vorverurteilung fördert die Akzeptanz und Unterstützung alternativer Jugendkultur ein Gegengewicht zur steigenden Attraktivität rechter Angebote.
Wo bürgerliche Totalität den biederen und spiessigen Horizont billigt, der auch zum Weltbild der NPD passt, werden auch junge Menschen für Vorurteile und spätere Irrwege in die rechte Ideologie vorprogrammiert.
Deshalb ist im Kern auch ein Verbot der oppositionellen Partei NPD kein Allheilmittel gegen Rechtsextremismus. Ihre parlamentarischen Vertreter mögen Anhänger einer lebensfeindlichen Ideologie sein, sie sind aber trotzdem demokratisch legitimierte Oppositionelle. Das Verbot oder gar die Umdeutung zu einer kriminellen Organisation verschiebt die Spitze des nationalen Eisberges nur noch weiter in den Untergrund. Die Parteispitze würde innerhalb kürzester Zeit in verdeckten Organisationen aktiv werden und dort die eigene Legendenbildung und Stilisierung als politisches Opfer vorantreiben. Die so wichtige Auseinandersetzung mit den politisch leicht zu durchschauenden Motiven wird fast unmöglich und die Kontrolle erschwert.
Dem hingegen ist die Aufdeckung aller Verbindungen zwischen dem Verfassungsschutz und den Strukturen der NPD primärer Auftrag der Behörden. Sollte sich die Deckung oder gar Unterstützung der Straftaten bewahrheiten, welche die grausame Mordserie flankieren, muß der Verfassungsschutz einer grundlegenden Neubewertung seiner Funktionen unterzogen und die beteiligten Mitarbeiter verurteilt werden.
So problematisch die Veröffentlichung der Nazi Leaks durch eine Anonymous Gruppierung aus ethischen und datenschutzrechtlichen Gründen auch sein mag: Die Veröffentlichung der NPD Spenderlisten, Autorenlisten neonationalistischer Publikationen, Bestelldaten sowie Emailverkehr von rechtsextremistischen Organisationen und Mailorderfirmen bringt auch Licht in den radikalen Rechtsuntergrund und kann bei der Aufdeckung von Verbindungen helfen.
Die digitale Denunziation der Naziunterstützer ist fragwürdig – Im Vergleich zur Hilflosigkeit der Opfer des Naziterrors erscheint sie als geringstes Übel.
182 Tote in den letzten 20 Jahren sind die traurige Bilanz des Wegsehens, der mangelnden Zivilcourage und der staatlichen Untätigkeit.

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